Horizon Forbidden West – Im GameWire-Review

Bevor ihr euch dem eigentlichen Text widmet:

Zum ersten Mal bieten wir neben der geschriebenen Rezension eines Spiels auch eine eingesprochene Version. Falls ihr den Text also nicht lesen wollt oder könnt, probiert euch doch gerne an der folgenden Variante.

Wir bitten die Soundqualität zu entschuldigen, da wir noch am Feintuning arbeiten.

Knapp fünf Jahre nach dem Release des PlayStation 4- und (späterhin) PC-Titels Horizon Zero Dawn liefert Entwickler Guerilla Games einen Nachfolger ab. Aloys Reise in den Verbotenen Westen erschien dabei für PlayStation 4 und selbstverständlich Sonys Current Gen-Konsole PlayStation 5. Wir haben uns Horizon Forbidden West für die PS5 genauer angesehen und wollen im folgenden Test auf Stärken und eventuelle Schwächen des Open World-Adventures eingehen. Dafür nutzen wir ein Rezensionsexemplar, das uns von Sony zur Verfügung gestellt wurde.

Die rote Plage…

Selbstverständlich möchte ich an dieser Stelle nicht zu viel zur Handlung von Horizon Forbidden West verraten. Nur so viel: Es knüpft an die Ereignisse des Vorgängers (und des DLC Frozen Wild) an und versetzt uns selbstverständlich wieder in die Rolle von Protagonistin Aloy, die sich auf die Suche nach einer Lösung für die sogenannte Rote Plage begibt. Dabei handelt es sich um eine Art Virus, welcher Flora und Fauna befällt und den Lebensraum der postapokalyptischen Welt nicht nur bedroht, sondern mehr oder weniger erneut in Richtung Apokalypse kippen lässt. Denn die ohnehin knappen Ressourcen der verschiedenen Stämme werden durch die Plage unbrauchbar und die Maschinenwesen ändern ihr Verhalten und werden zusehends aggressiver und unberechenbarer.

Aloys einzige Hoffnung scheint es zu sein, die künstliche Intelligenz GAIA wieder zu finden, eine Art Terraforming-Programm, mit deren Hilfe sich – so die Hoffnung – wieder Ordnung in das Chaos der untergehenden Welt bringen lassen wird. Für wen das Alles mehr Fragen aufwirft, als dass es irgendwie einen Sinn ergäbe, dem sei ans Herz gelegt, den Vorgänger nachzuholen. Zwar erklärt Horizon Forbidden West vieles im Laufe der gut 30 – 40-stündigen Hauptstory, aber Guerilla Games setzt gerade zu Beginn einiges an Hintergrundwissen voraus. Nichtsdestotrotz können auch Neueinsteiger*Innen viel Freude an dem Titel haben, wenn man sich zumindest zu Beginn damit abfinden kann, gegebenenfalls auf dem sprichwörtlichen Schlauch zu stehen.

…und der Verbotene Westen

Nach einer gut zweistündigen spielbaren Einführung, in dem sowohl wiederkehrende als auch neue Spieler*Innen mit den Grundlagen der Steuerung und Handlung vertraut gemacht werden, öffnet sich die Welt und die Mission wird klarer: Aloy muss in den sogenannten und titelgebenden Verbotenen Westen reisen, um GAIA ausfindig zu machen. Dabei wird die Geschichte immer wieder in längeren Zwischensequenzen weitererzählt, wenn man gewisse Punkte der Handlung abschließt. Es ist schön zu beobachten, wie wundervoll Guerilla Games die durchaus interessante und überraschend wendungsreiche Story in die sonst offene Welt einzubinden verstehen. Es gab mehr als einen Moment, an dem ich den Controller weglegen musste, um das Geschehene verdauen zu können.

Warum das Erwähnung findet? Nun, gerade Open World-Spiele haben die Angewohnheit ihre Story mitunter sträflich zu vernachlässigen. Nicht so Horizon: Wer möchte kann – je nach gewähltem Schwierigkeitsgrad – beinahe problemlos nur den Hauptquests folgen. Anzuraten ist das allerdings nicht – aus Gründen, auf die wir sehr bald zu sprechen kommen werden.

Horizon Forbidden West - Aloy

Aber es ist eben durchaus eine Möglichkeit, das ganze Brimborium der offenen Spielwelt weitestgehend zu vernachlässigen und den Titel im eigenen Tempo zu erleben. Selbstverständlich muss man gerade im Bezug auf die Handlung mit einigen Logiklücken, die man sehr oft bei Sci-Fi-/Fantasy-Stories aufgetischt bekommt, leben können, aber aufgrund der wirklich herausragenden audiovisuellen Präsentation, liebenswerter Charaktere und abwechslungsreicher Schauplätze lohnt sich eben auch “nur” für die Geschichte der Ausflug in den Westen.

Mehr vom Gleichen

Ich glaube wir alle wissen, wie Fortsetzungen im Allgemeinen aussehen oder auszusehen haben. Unabhängig individueller Wünsche für die Ausrichtung und Ergänzung einer Reihe, arbeiten Entwicklerstudios gerne nach dem Motto: Größer, schneller, besser. Meist wird auch noch “schöner” hinzugefügt. Und für wen dies das Minimum dessen ist, was benötigt wird, um ein Sequel interessant zu gestalten, der darf hier gerne erleichtert aufatmen. Denn Horizon Forbidden West bietet im Vergleich zu Zero Dawn eben genau das. Und noch einiges mehr.

Gerade bei der von uns getesteten PlayStation 5-Version merkt man selbstverständlich den grafischen Sprung am stärksten. Forbidden West sieht sprichwörtlich umwerfend aus. Mit Blick auf die Weltkarte, die ihr Stück für Stück aufdecken werdet, wird auch schnell klar, dass der Titel sehr viel umfangreicher ausfällt als noch der Vorgänger. Selbst nach über fünfzig Stunden Spielzeit habe ich noch nicht jedes Fragezeichen aufgedeckt oder jede Nebenaufgabe abgeschlossen. Das ist selbstverständlich auch kein Muss, aber wer Beschäftigung abseits der Handlung sucht, wird diese finden.

Die Ladezeiten sind dank der SSD der PlayStation 5 ebenfalls kaum wahrnehmbar. Egal ob Kaltstart oder Schnellreise – die Zeit reicht kaum aus, um die eingeblendeten Hinweise im Ladebildschirm lesen zu können. Und da wir gerade beim Thema Schnellreise sind, Fans des Vorgängers dürften sich darüber freuen, dass diese an freigeschalteten Punkten keine Ressourcen mehr verbrauchen, sondern “kostenlos” sind. Definitiv eine erwähnenswerte Verbesserung.

Alles noch mal ein gutes Stück besser

Größer, schneller und schöner wären also schon mal abgehakt, aber was ist mit besser? Nun, hier haben Guerilla Games ganze Arbeit geleistet. Ich bin mir nicht sicher, wann ich zum letzten Mal so von einer Fortsetzung beeindruckt gewesen bin. Die reinen Spielmechaniken, auf die wir sehr bald genauer eingehen werden, wurden grundsätzlich verfeinert, aber vor allem was Präsentation und Questdesign angeht, wurden die Schrauben ordentlich festgezogen. Während die Figuren in Horizon Zero Dawn noch wie leblose Marionetten still im Bild standen und sich mit Aloy unterhielten, fühlen sich die NPCs in Forbidden West wie greifbare Wesen an. Mimik, Gestik und Bewegungen sind sehr viel natürlicher und wirken mitunter geradezu lebensnah. Dazu gesellt sich ein wunderbares Maß an Repräsentation verschiedenster Kulturen, Ethnien und auch Körperformen, die noch in keinem Spiel so subtil und selbstverständlich wirkten, wie hier. Man kann davor nur den Hut ziehen.

Gleiches gilt auch für die Vielfalt aller wichtigen und eher unwichtigen Nebenfiguren. Selbst nach so vielen Spielstunden habe ich bisher nur welche gesehen, die sich ähnelten. Und noch keine, die sich 1:1 glichen. Das ist gerade für ein Spiel mit einem solchen Umfang eine beeindruckende Leistung, auch wenn gerade im Mittelakt mittels verschiedener Körperbemalungen ein wenig geschummelt werden konnte. Dass Siedlungen und Städte nun tatsächlich lebendig wirken, ist ebenfalls ein Pluspunkt gegenüber der eher statischen Kulisse des Vorgängers. Neben diesen Dingen gefällt aber auch, dass das grundsätzliche Questdesign dramatisch überarbeitet wurde.

Horizon Forbidden West - NPC

Spielerisch zieht man da zwar nur selten eine absolute Neuerung aus dem Hut, aber die Präsentation ist über alle Zweifel erhaben. Die Questgeber haben eine eigene Motivation, die Ziele selbst erzählen häufig selbst noch die jeweils eigene Geschichte weiter – und natürlich darf auch die ein oder andere Überraschung nicht fehlen. Horizon Forbidden West macht es sich hier direkt hinter The Witcher 3: Wild Hunt bequem, das bis heute Maßstäbe im Bereich der Nebenaufgaben setzt. Gäbe es mehr Entscheidungsmöglichkeiten in Aloys Abenteuer, es wäre vermutlich ein Unentschieden geworden.

Die Feinheiten des Gameplays

Spielerisch werden sich Fans des Vorgängers schnell wie zuhause fühlen. Die Kämpfe gegen die abwechslungsreichen Maschinen gestalten sich weiterhin herausfordernd und taktisch geprägt. Aloy ist zu Beginn mit einem Bogen und einem Speer bewaffnet, die sie geschickt einzusetzen versteht. Mittels eines zuschaltbaren Fokus – einer Art Scan-Apparatur – lassen sich Schwachstellen und generelle Empfindlichkeiten feststellen. So kann man mit dem Bogen gezielt angreifen, Panzerungen abschießen oder Fallen in der Umgebung aktivieren. Weitere Waffen, Fallen und Items findet man recht schnell im Laufe des Spiels. Die Kämpfe sind generell also sehr abwechslungsreich inszeniert, wobei man sich auch wunderbar auf einen eigenen Spielstil einstellen kann.

Aber nicht nur die Kämpfe gegen die mitunter übergroßen Maschinen wurden verfeinert, sondern vor allem jene, gegen menschliche Gegner. Aloy kann in den Talentbäumen Spezialfähigkeiten, neue Kombos und Angriffsmuster erlernen, die ihr den Umgang mit Feindkontakten erleichtern. Aber auch bessere Tarnung oder beispielsweise verstärkte Selbstheilung sind möglich.

Zudem wurde der Fokus auf die Erkundung zurechtgerückt. Aloy hat im Laufe der Kampagne nicht nur unterschiedliche Möglichkeiten die Gebiete effektiver zu bereisen, wie zum Beispiel einen Gleitschirm und einen Enterhaken (die auch im Kampf eingesetzt werden können), sondern ist auch grundsätzlich agiler geworden. Die meisten Felsen, Berge und Hindernisse können nun frei erklommen werden. Das mag nun nicht allzu aufregend klingen, fühlt sich aber sehr gut an und ermöglicht unterschiedliche Herangehensweise an verschiedene Situationen. Über einen Ausdauerbalken muss man sich indes keine Sorgen machen. Man klettert so lange und frei, wie man eben möchte.

Horizon Forbidden West - Interior

Ein paar Worte zu Technik und Grafik

Wie zu Beginn dieses Reviews bereits erwähnt, sieht Horizon Forbidden West auf der PlayStation 5 absolut umwerfend aus. Im “Auflösungsmodus” dürfen wir uns über knackscharfe 4K-Auflösung bei immerhin stabilen 30fps freuen, während der “Perfomancemodus” zwar 60fps schafft, aber doch sehr zu Lasten der Optik. Aber wer in ersterem Modus spielt bekommt nicht nur eines, sondern ziemlich sicher das aktuell schönste Spiel auf den ehemaligen Next Gen-Konsolen. Was Details und Lebendigkeit der Spielwelt angeht, können sich höchsten Red Dead Redemption 2 und Cyberpunk 2077 mit dem Titel messen – und das wohlgemerkt am PC mit entsprechender Hardware.

Was Guerilla Games da aus Sonys Hardware kitzelt – und das knapp eineinhalb Jahre nach Release der Konsole – ist durch und durch beeindruckend. Enorme Weitsicht, nur wenige Pop-Ins, detaillierte Haupt- und Nebenfiguren, Gräser, bei denen sich einzelne Halme problemlos ausmachen lassen, eine lebendige Flora und Fauna – sowie noch einiges mehr – Forbidden West setzt aktuell neue Maßstäbe. Da wird der Fotomodus und dessen Nutzung nahezu zur Pflicht.

Zum Thema Bugs

Dass ein Open World-Spiel dieser Größe nicht frei von Fehlern sein wird, sollte jedem einigermaßen klar sein. Gerade wenn man sich den Launch anderer Titel aber mal ansieht, fällt auf, wie viel Feinschliff in Horizon Forbidden West steckt. Ja, es gibt Bugs. Einige sehr eigenartige sogar – auch wenn ich die nur selten reproduzieren konnte. Nebenfiguren, die plötzlich verschwinden, ein vereinzelt auftretendes Ruckeln, das sich erst nach einer Schnellreise erledigt, plötzliche lange schwarze Bildschirme beim Wechsel in die Menüs und einiges mehr. Aber zumindest ich hatte während meiner langen Reise in den Westen bisher keinen Gamebreaking-Bug oder gar einen Absturz des Spiels. Neuladen des Spielstands oder die erwähnte Schnellreise haben die Probleme bisher immer behoben.

Horizon Forbidden West - Kampf

Unabhängig davon müssen sich unsere Spielerfahrungen diesbezüglich nicht gleichen. Im Netz sind einige Fehler und Probleme zu finden, die ich für mich nicht bestätigen konnte, die wohl aber von anderen Spieler*Innen verifiziert wurden. Diese haben selbstverständlich keinen Einfluss auf unsere Wertung. Aber es ist gut zu wissen, dass Guerilla Games bereits am nächsten großen Patch arbeitet.

Fehler im Detail

Andere Probleme werden dadurch allerdings gewiss nicht aus dem Spiel getilgt werden können. Zum Beispiel in Hinblick auf die Klettermechaniken. Ja, diese funktionieren gut bis sehr gut – auch wenn die direkten Kletterwege oft nur durch einen Scan der Umgebung erkennbar sind. Gleichzeitig sind die Sprungpassagen oft frustrierend. Es gibt einige Gelegenheiten, in denen Aloy Strukturen erklimmen muss, die nicht natürlichen Ursprungs sind. Und hier versagt mitunter auch gerne mal die Kollisionsabfrage und Aloy springt gegen eine Klimmstange statt sich daran festzuhalten. Die Konsequenz sind dann oft Stürze in den Tod oder an den Beginn einer solchen Kletterpassage. Das kann frustrieren.

Und auch das Öffnen mancher Pforten oder Aktivieren von Terminals kann sich unnötig fummelig gestalten. Steht man an der richtigen Stelle, blendet das Spiel ein, dass man R2 gedrückt halten solle. Soweit so gut. Blöderweise lädt Aloy durch die gleiche Taste ihren Nahkampfangriff auf. Bewegt sich die Spielfigur oder die Kamera nur ein minimales Stück weiter als gewollt, kommt es gerne vor, dass man wie ein Verückter in die Luft schlägt statt das zu tun, was man eigentlich möchte. Das ist gewiss kein Beinbruch. Stören tut es allerdings schon.

Horizon Forbidden West Ausblick

Und auch die Steuerung unter Wasser fühlt sich etwas zu schwammig und unintuitiv an. Ja, es funktioniert hier alles so wie es soll – immerhin! – aber dafür, dass der Titel mitunter großen Wert auf die Erkundung unterhalb der Wasseroberfläche setzt, ist es leider oft auch der schwächste Abschnitt. Das haben andere Spiele – wie das unterschätzte Shadow of the Tomb Raider – schon sehr viel besser gelöst.

Fazit zu Horizon Forbidden West

Ja, gerade zum Schluss dieser Besprechung musste ich mich dann doch etwas in Detailkritik verlieren. Aber das spricht nicht so sehr gegen, sondern für Horizon Forbidden West. Denn in erster Linie ist der Titel eine absolut gelungene, technisch und grafisch Maßstäbe setzende Fortsetzung geworden. So gut, so stark, so emotional und abwechslungsreich geschrieben, dass die sonst vielleicht eher nichtig erscheinenden Problemchen die einzigen richtigen Probleme werden. Nein, der Titel ist sonst nicht perfekt. Trotz eines guten Fokus auf die Erkundung und Story, leidet auch Aloys Reise in den verbotenen Westen unter der Last der offenen Spielwelt. So viele Fragezeichen, Nebenquests und -Aktivitäten können den Spielfluss hemmen und Spieler*Innen auch einfach erschlagen.

Aber der Ausflug lohnt sich, einfach weil das Wichtigste hier stimmt: Der Spielspaß. Schon lange hat mich kein Spiel mehr so sehr an die Konsole zurückgerufen wie Forbidden West. Egal ob es nur für wenige Nebenmissionen, Jagdaufträge, das nette Minispiel Machine Strike oder zum Lauschen des überragenden Soundtracks war, ich hatte immer eine mindestens sehr gute Zeit. Und wer sich alleine auf die Handlung konzentrieren mag, wird auch hier nicht enttäuscht sein.

Also noch einmal: Nein Horizon Forbidden West ist kein perfektes Spiel. Aber es ist eine nahezu perfekte Fortsetzung. Hut ab, Guerilla Games!

  • 9.5/10
    Gameplay - 9.5/10
  • 9.5/10
    Sound - 9.5/10
  • 9.9/10
    Grafik - 9.9/10
  • 8.5/10
    Steuerung - 8.5/10
9.4/10

Zusammenfassung

Horizon Forbidden West ist eine grandiose Fortsetzung und ein fanatstisches Showcase für die grafischen Fähigkeiten der PlayStation 5, beziehungsweise der gesamten aktuellen Konsolengeneration. Die Verbesserungen, die Guerilla Games implentierte, sind allesamt mehr als willkommen und in der Ausführung gelungen. Gerade die überarbeiteten Interaktionen mit NPCs und Nebenquests sind absolut umwerfend. Gleiches gilt für den Sound und die generelle Spielbarkeit. Lediglich kleine Fehler im Detail, einige Bugs und die mit der Open World einhergehenden Probleme sorgen für Punktabzug.

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