In meinem heutigen Review nehme ich euch mit nach Polen in den Sechzigerjahren. Der Zweite Weltkrieg hat einen Tacken (ganze 20 Jahre) länger gedauert und die Deutschen haben die polnische Erdoberfläche dem Erdboden gleich gemacht. Wir begleiten einen kleinen Jungen auf seinem wohl größten Abenteuer durch das postapokalyptische Polen und durch einen Bunker der Seinesgleichen sucht, bis hin zu einem nicht ganz unvorhersehbaren Twist.
All das erleben wir in Paradise Lost, welches ich auf der PlayStation 4 testen durfte. Neben der PS4 ist das Adventure vom Indie-Studio PolyAmorous auch auf der Xbox One sowie dem PC zu einem günstigen Kurs zu finden.
Von Nazis, Fanatikern und Übermenschen
Die Geschichte von Paradise Lost ist schnell und spoilerfrei erzählt: Wir schlüpfen in die Haut des zwölfjährigen Szymon, der sich nach dem Tod seiner Mutter durch die nuklear verseuchte Einöde – die sich einst Oberfläche nannte – einer polnischen Region begibt, um einen Mann und Antworten zu finden. Einem Mann, den er einst auf einem Foto zusammen mit seiner Mutter gesehen hatte und über den er absolut nichts weiß. Jedoch scheint alles besser als allein zu sein, weswegen sich Szymon auf den Weg macht. Seine Reise führt ihn schnell zu einem übermenschlich großen Bunker der im Zweiten Weltkrieg von den Nazis erbaut und betrieben wurde. Im Inneren angekommen merkt der Jüngling schnell, dass der Bunker nicht der von den Nazis angepriesene Heilige Gral ist, sondern viel mehr eine Brutstätte von kranken Ideologien und Experimenten der deutschen Wehrmacht.
Doch diese Erkenntnis lässt uns nicht von unserem Vorhaben abweichen und wir dringen immer weiter in das Innere der unterirdischen Stadt ein und entdecken Spuren von religiösen Fanatikern, den Untergang der Nazis, eine Zweiklassen Gesellschaft und einen erbitterten internen Streit der am Ende die völlige Zerstörung allen Lebens bedeuten solle. Aber Moment mal, unterirdische Stadt? Definitiv ja, denn das was die Nazis im fiktiven Polen der Sechzigerjahre erbaut haben ist ein architektonisches Meisterwerk und ein wahrer Traum von modernen Architekten.
Der Bunker in Paradise Lost ist tatsächlich so etwas wie ein eigenes geschlossenes Ökosystem mit allem Zipp und Zapp. Nur eben unter Tage. Es gibt Eisenbahnverkehr und ein Agrarsystem das die verschiedensten Getreide- oder Gemüsesorten aus dem Boden sprießen lässt. Doch es gibt auch unzählige prunkvolle Gebäude der Mittelschicht und weniger prunkvolle Gebäude der Unterschicht. Ja sogar eine eigene Forschungseinrichtung ist hier in den Felsen integriert. Alles darauf ausgelegt … nun, das solltet ihr besser selbst herausfinden.
Visual Novel oder doch Adventure? Entscheide dich!
Im Verlauf des Spiels treffen wir auf eine weitere Person in den Weiten des Bunkers. Ihr Name ist Ewa und sie scheint zunächst die einzige Fahrkarte zu unserem Ziel zu sein. Viel ist anfänglich nicht über sie bekannt und die Beziehung zwischen den beiden Protagonisten nimmt auch während des Spielverlaufs nur unwesentlich an Fahrt auf. Bestenfalls kratzen wir hier etwas an der Oberfläche. Wirklichen Tiefgang vermisse ich. Das ist schade denn sowohl Szymon als auch Ewa bergen Potenzial und hätten dem Adventure und dessen Handlung noch mehr Pepp verliehen. So ist die Geschichte in Paradise Lost als eher durchschnittlich und schon oft gesehen abzutun.
Das Gameplay ist typisch für einen entsprechenden Titel aber hat mich während des Tests nicht vom Hocker gehauen. In typischer Walking-Simulator-Manier durchforsten wir die ausgedehnten Areale des Bunkers und finden allerlei Dokumente und Hinweise. Auf diese Weise wird schnell klar was die Nazis im polnischen Bunker getrieben haben und wie es unseren Vorgängern erging. So schön diese Hinweise sind, so mühselig erweist sich die Suche nach diesen. Szymon hat nämlich keine Möglichkeit die Beine in die Hand zu nehmen und etwas schneller als Hasen-Geschwindigkeit zu laufen. Ihr kennt das. Auf einem Rasenmäher gibt es die Geschwindigkeiten „Schildkröte“ und „Hase“. Beide sind nicht sonderlich schnell. Zum Glück entpuppt sich Szymon in unserem Fall nicht auch noch als Schildkröte.
Dementsprechend kostet es schon ein wenig Überwindung, sich überhaupt auf die Suche nach Gegenständen zu machen, da es eine gefühlte Ewigkeit dauert, bis man von der einen Seite eines Raumes zu der anderen gelangt. Und da wir uns während des gesamten Durchgangs keinem Feind ausgesetzt sehen – dies wird bereits zu Beginn klar – ist es teilweise echt ermüdend. Doch halt. Die liebevollen Details der Spielwelt reißen das Ruder dann doch wieder herum. Ich habe gemerkt, dass PolyAmorous viel Wert auf eine authentische, postapokalyptische und teils futuristische Umgebung gelegt hat. Und mal ehrlich, genau so wie es in Paradise Lost zu sehen ist hätte ich mir einen Endzeit-Bunker vorgestellt.
Mein Fazit
Mehr bleibt zum polnischen Adventure an dieser Stelle nicht mehr zu sagen, da die Spielmechanik zum einen nicht mehr hergibt und ich mich bei einem umfangreicheren Bericht nicht mehr von Spoilern freisprechen könnte. Also wie ist meine abschließende Meinung zu Paradise Lost?
Nun, ich habe mich auf jeden Fall gut unterhalten gefühlt und die Handlung hat mich dann doch interessiert. So sehr sogar, dass ich über das träge Walking-Simulator-Feeling hinweg sehen konnte. Der Grund hierfür ist auch die detaillierte und düstere Spielwelt gewesen. Die einzelnen Areale des Bunkers scheinen sich ihrer Nutzung entsprechend zu unterscheiden, die Schauplätze sind Abwechslungsreich gestaltet und durch die Notizen erhält jedes Areal etwas mehr Tiefgang. So konnte ich mir zu jederzeit vorstellen, was hier passierte und wie sich die Bewohner fühlten. Toll gemacht. I love it.
Ansonsten ist das Adventure für mich eher eine moderne Visual Novel. Außer einem ausgedehnten Spaziergang durch den Bunker, dem Anhören von eher oberflächlichen Dialogen zwischen Ewa und Szymon, sowie dem Lesen von Hinweisen passiert während des unterirdischen Ausflugs nicht viel. Mich hat dieser Umstand nicht gestört, da die Spielwelt toll in Szene gesetzt ist. Der minimalistische Soundtrack verstärkt das Gefühl der Einsamkeit. Apropos Soundtrack, die englische Synchronisation von Szymon und Ewa ist durchaus gelungen. Beide Rollen sind gut eingesprochen und haben den typisch polnischen Akzent. Dies passt sich toll in das, optisch und musikalisch gelungene Gesamtpaket und ist ein großer Pluspunkt an Paradise Lost.
Wem also kann ich dieses Visual-Novel-Adventure empfehlen? Nun, allen die Lust auf einen kurz erzählten Ausflug in einen unterirdischen Bunker der Superlative haben und sich gerne in detailreichen Umgebungen verlieren. Wer Abstriche in puncto Gameplay und Tiefgründigkeit macht, der wird mit Paradise Lost auf jeden Fall seinen Spaß haben. Und mit 14,99 Euro ist der Titel auch noch zu einem guten Kurs zu haben. Diesen Preis ist es auf jeden Fall wert.
Paradise Lost
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5/10
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7/10
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8/10
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4/10
Fazit
Mit Paradise Lost hat der polnische Entwickler PolyAmorous eine solide Mischung aus Visual Novel und Adventure geschaffen. Aufgrund des günstigen Preises können alle Spieler zuschlagen, die Lust auf eine schön inszenierte Geschichte zweier junger Menschen im postapokalyptischen Polen haben. Das Abenteuer rund um Protagonist Szymon ist etwas träge und das Gameplay möchte nicht in Fahrt kommen aber die versteckten Story-Dokumente und schön in Szene gesetzten Areale machen Paradise Lost dennoch zu einem netten Spiel für zwischendurch.
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