Those Who Remain – Das GameWire-Review

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Mit Those Who Remain wagen Entwickler Camel 101 und Publisher Wired Productions einen Ausflug ins Horror-Genre. Im Mittelpunkt der Geschichte steht Protagonist Edward, der sich – von Schuldgefühlen getrieben – in das verschlafene Städtchen Dormont begibt. Doch es ist nicht nur die Dunkelheit in Edwards Herzen, die ihm zu schaffen macht, sondern auch das, was in der Dunkelheit um ihn lauert. Ob der Titel atmosphärisch das hält, was er verspricht, oder wir letzten Endes nur im Trüben fischen, soll der folgende Test klären.

Dabei erinnert die Grundprämisse des Spiels nicht zuletzt auch an die beinahe vergessene Spielereihe Silent Hill. Die Hintergründe des sich im Selbstmitleid suhlenden Protagonisten Edward sind mindest genauso mysteriös und doch so greifbar, wie die von James, dem “Helden” des zweiten Ablegers der kultigen Horrorreihe. Und auch das verschlafene, im Nebel liegende Städtchen Dormont weckt die ein oder andere Erinnerung an unsere – auf jeden Fall aber meine – Spielevita. Ja, man merkt schnell, dass sich die Entwickler da ganz klar haben inspirieren lassen. Doch statt auf eine Third Person-Perspektive setzt man – ähnlich wie im von Kojima Productions entwickelten Soft-Reboot der Reihe, das unter dem Namen P.T. zumindest einen spielbaren Teaser erhalten hat, auf die Ego-Ansicht. Wir erleben also hautnah alles aus der Perspektive unseres gebeutelten Protagonisten.

Das sorgt für Atmosphäre, gerade im Horror-Genre, in dem man sich als Spielender nun nicht länger und buchstäblich hinter dem Rücken der Spielfigur verstecken kann, sondern dem Horror unmittelbar ausgeliefert ist. Zumindest dann, wenn die Entwickler es schaffen, die Atmosphäre des Spiels glaubwürdig in den Hirnen zu verwurzeln. Und das gelingt gerade zu Beginn von Those Who Remain sehr gut.

In einem Motel angekommen, wundert man sich noch darüber, dass die Rezeption unbesetzt ist, nur um in dem Zimmer einer Bekannten anschließend vom plötzlichen Klingeln eines Telefons aufgeschreckt zu werden. Eine Stimme flüstert leise “Bleib im Licht.”, ehe die Verbindung abbricht.

Zurück bleiben Verwirrung, ein sonst leeres Motelzimmer und ein aktueller Zeitungsausschnitt, der vom mysteriösen Verschwinden zahlreicher Bewohner des Ortes spricht. Als wäre das nicht genug, wird Edwards Auto gestohlen und er muss sich zu Fuß aufmachen, in dem nahegelegenen Städtchen nach Antworten zu suchen. Doch die Dunkelheit ist gefährlich, denn ihr stehen seltsame Wesen, die mit leuchtenden Augen nach Edward suchen und sonst regungslos auf ihr Opfer warten. Mehr als einmal lief mir ein Schauer über den Rücken als ich die Vielzahl dieser schattenhaften Wesen im nächstgelegenen Zwielicht lauern sah, nur darauf wartend, dass mich ein falscher Schritt in ihre Nähe bringt.

Man selbst ist im Licht indes sicher vor den Attacken, da sich die Wesen (bis auf wenige Ausnahmen) nicht trauen, die für sie so sichere Dunkelheit zu verlassen. Daraus ergeben sich einmal nette Umgebungsrätsel, wenn man – neben den viel zu großzügig im Spiel verteilten Lichtschaltern – nach alternativen Beleuchtungsmöglichkeiten sucht, um den Weg freizumachen. Auf der anderen Seite ergibt sich ein grundlegendes Problem innerhalb der atmosphärischen Dynamik: Die vermeintlichen Gegner stellen nur sehr selten eine Gefahr dar. Der Spielaufbau sorgt für ständige Lichtquellen und somit für Sicherheit. Die anfangs noch so dichte Atmosphäre weicht dadurch schnell einem Gefühl von Gewohnheit, Routine geradezu. “Ah, da lauern sie. Moment, hier ist ein Schalter, dort ein Auto, dessen Scheinwerfer ich nutzen kann…” ersetzt innerhalb weniger Spielminuten das anfängliche “Was zur Hölle ist hier los? Wie soll ich das nur überleben?

Dazu gesellen sich dann noch einige logische Ungereimtheiten, über die man manches Mal hinwegsehen kann, ist es doch ein Horrorspiel, während man an anderer den Kopf schütteln muss. So sind sich die Entwickler durchaus darüber im Klaren gewesen, dass man den Großteil ihres vermeintlichen Horrors mit einem weitverbreiteten Gebrauchsgegenstand hätte vertreiben können: Der Taschenlampe. Dementsprechend besitzt Edward selbstverständlich weder dies, noch ein Feuerzeug oder Streichhölzer, sondern tapst unbeholfen durch die Gegend. An einer Stelle findet er sogar ein Sturmfeuerzeug, nur um dieses nach einer kurzen Sequenz wieder von den Entwicklern abgenommen zu bekommen. Sein Kommentar dazu “Hm, das habe ich wohl verloren“. Nun, kann ja mal passieren. Geht ja nur um Leben und Tod.

Auch sonst müssen die Spieler nur wenig fürchten. Denn leider versäumen es die Entwickler die Rätsel komplex oder gar fordernd zu gestalten. Die Antwort auf die meisten Fragen liegt dementsprechend nur einen Raum weiter entfernt und ist selbsterklärend. Ein Schlüssel hier, eine Sicherung da, oder sogar Unkrautvernichter unmittelbar neben der vom Unkraut befallenen Stelle. Es ist geradezu absurd, wie wenig man uns SpielerInnen an dieser Stelle zutraut. Und so oder so eine verpasste Chance, die schnell schwindende atmosphärische Dichte durch Kopfnüsse aufzuwiegen.

Mitunter wird Edward zwar in eine eigenartige Paralleldimension befördert, in der die Regeln unserer Welt nicht zu gelten scheinen, was für Abwechslung sorgt, aber letzten Endes auch nicht viel mehr ist, als eine optische Spielerei, durch die man den Umfang des Spiels und die Komplexität der Puzzles marginal erweitert. Kann man eine Kiste in der Realität nicht bewegen, so ist das in der Parallelwelt durchaus möglich. Auf Knopfdruck wechseln indes nicht, man muss schon durch eine der leuchtenden Türen schreiten, was sowohl geübten als auch ungeübten SpielerInnen den Hinweis geben sollte “Jetzt musst du hier etwas tun, um weiterzukommen.”

Das klingt nun auf dem Papier nach härterer Kritik, als ich es meine, oder es tatsächlich ist, denn grundsätzlich ist keiner dieser Mängel wirklich schlimm oder gar furchtbar. Allerdings ist es auch ermüdend an nahezu jeder Ecke dieses verschenkte Potential zu sehen, aus denen man mit mehr Zeit, oder einem größeren Budget, so viel mehr hätte machen können. Dabei bietet Those Who Remain durchaus abwechslungsreich gestaltete Umgebungen wie Kirchen, Bibliotheken, Labyrinthe und vieles mehr, die gerade durch die erwähnte Parallelwelt noch eine weitere Perspektive ermöglichen – nur bieten diese selten mehr als den reinen Schauwert.

Dummerweise sind das nicht die einzigen Baustellen, denn gerade auf der Konsole, sprich auf der von uns getesteten PlayStation 4-Version, ist die Steuerung ungenau und hakelig. Das merkt man besonders dann, wenn es darum geht, Schränke oder Schubladen zu öffnen, aber auch beim Betätigen der Lichtschalter. Beim Umdrehen in eine Richtung legt Edward übrigens ein so gemächliches Tempo an den Tag, man könnte meinen er wäre Statist in einem Film, in dem die Zeit zum Stillstand gekommen ist. Es ist ungemein ärgerlich ihm dabei zuzusehen, schlimmer noch, dies eigentlich zu Spielen, doch zum Glück kann man das Field of View in den Optionen anpassen, was zumindest etwas Milderung bringt. Tearing und vereinzelte Ruckler trüben zudem den Spielspaß.

Ab und an setzt einem Those Who Remain aber noch andere Gegnertypen vor, welche die lichtdurchfluteten Umgebung durchsuchen und einen bei Sichtkontakt verfolgen. Aufgrund der genannten Probleme mit der Steuerung und dem nicht immer klaren Ziel, sowie einiger Schwierigkeiten bei der Kollisionsabfrage sind diese – zum Glück nicht häufig auftretenden – Konfrontationen reine Trial & Error-Einlagen. Das ist nervig, vor allem auch deshalb, weil die Rücksetzpunkte nicht unbedingt optimal gesetzt sind. So kommt schnell Frust auf.

Sound- und Synchronarbeit sind indes auf einem soliden Niveau, reißen einen aber auch nicht wirklich mit. Auch hier bleibt alles in jenem undefinierbaren Durchschnittmatsch gefangen, einer beliebig wirkenden Grauzone zwischen Können und Wollen. Gleiches gilt auch für die ausgelutschte Geschichte, die zwar gegen Ende hin ordentlich an Fahrt aufnimmt und dank Wahlmöglichkeiten sogar den Ausgang verändert, aber sonst wohl auch keinen Preis gewinnt. Alles was Those Who Remain macht, war schon einmal da – und das sogar besser oder glaubwürdiger umgesetzt.

Fazit

Those Who Remain ist kein schlechtes Spiel, das nicht. Aber auch kein gutes. Die Ideen sind durchaus da und gerade der atmosphärische Aufbau überzeugt zu Beginn, aber man verliert beides zu schnell aus den Augen. Nichts wirkt konsequent zu Ende gedacht, vieles zu konstruiert. Dass einige Sequenzen zudem auf reines Trial & Error setzen, die Rätsel belanglos, beziehungsweise aufgesetzt sind und die konzeptionell eigentlich gute Parallelwelt zum reinen Selbstzweck verkommt, ist einfach nur schade.

Die Spielzeit liegt übrigens bei knapp vier Stunden, auch wenn mehrere Enden unter Umständen für Wiederspielwert sorgen könnten – wenn wohl auch nur für Hardcore-Horrorfans, die alles andere schon gespielt haben.

Those Who Remain hat Potential, wirklich. Man sieht es an einigen Stellen noch durchblitzen. Aber es ist wie bei den in der Dunkelheit stehenden Gegnern des Spiels: Man sieht sie zwar, aber sie ändern nichts.

Those Who Remain - Das GameWire-Review
  • 6/10
    Gameplay - 6/10
  • 6/10
    Sound - 6/10
  • 6.5/10
    Grafik - 6.5/10
  • 5.5/10
    Steuerung - 5.5/10
6/10

Zusammenfassung

Eine gute Prämisse und eine clevere Idee reichen leider nicht für ein gutes Spiel. Those Who Remain hat mit vielen technischen und spielerischen Problemen zu kämpfen und verschenkt zu viel Potential, um begeistern zu können. So bleibt ein nur allzu durchschnittlicher Ausflug ins hart umgekämpfte Horror-Genre.

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